Von Schmerz und Ohnmacht

Es gibt Tage und Wochen in denen habe ich keine Inspiration oder keine Priorität etwas zu schreiben. Und dann gibt es Wochen wie diese, da sprudelt es über. Ich habe ständig Gedanken und EInfälle und kann immer wieder etwas in Worte fassen. Heute ist es 21:54 Uhr, ich sitze in eine Decke gewickelt auf meiner Terasse und genieße die Nachtluft. Na gut, noch ist es Abend, aber so ziemlich gleich ziemlich finster. Das erste Mal seit über neun Jahren bin ich zwei Tage alleine zu Hause. Wie Urlaub am eigenen Platz. Lass das mal wirken.

Worüber ich eigentlich schreiben wollte war die Frage nach der Ohnmacht. Was tust du wenn du dich ohnmächtig fühlst? Was tust du wenn du das Gefühl hast du kannst nichts verändern? Kennst du diese Situationen in denen du wirklich zutiefst glaubst, es gibt nichts was du tun kannst? Kennst du diese Momente in denen du keine Ahnung hast und einfach nicht weißt? Gar nicht weißt. Diese Momente in den du verzweifelt nach einer Lösung, einem Ausweg oder einer anderen Wahlmöglichkeit suchst aber du scheinst nichts zu entdecken, nichts scheint sich zu zeigen.

In den letzten vierundzwanzig Stunden bin ich genau dort, genau an diesem Punkt gelandet. Ich habe das Gefühl ich kann nichts tun. Und weißt du was witzig ist? Sobald ich darüber schreibe, es in Worte fasse verändert es sich. Quasi wie von selbst. Just in diesem Moment geht mir ein Licht auf. Genau jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen und ich frage mich ob ich nicht möglicherweise doch eine Wahl habe. Aber lass mich am Anfang beginnen.

Eines meiner Pferde hat Schmerzen. Nicht extrem akut, nicht extrem massiv, aber durchaus schon sehr. Und ich weiß nicht ob du Tiere bei dir leben hast oder Kinder. Und ich weiß nicht ob du eben genau das vielleicht kennst, wenn Wesen die scheinbar in deiner Verantwortung stehen Schmerzen haben und du das Gefühl hast du bist verantwortlich, du musst ihnen helfen. Du musst irgendetwas tun. Du musst. Nicht nur wegen ihnen. Auch wegen dir. Und den Leuten um dich herum. Du musst unbedingt etwas tun. Mindestens um vorweisen zu können, dass du etwas getan hast. Mindestens um beweisen zu können, dass du alles versucht hast, was andere auch versucht hätten. Nun, ich kenne das. Nur zu gut.

Und manchmal zieht das etwas nach sich, manchmal passiert etwas, was ich als blinden Aktionismus bezeichnen würde. Wir ackern und machen und tun. Probieren irgendetwas. Mittelchen, Tablettchen, Kügelchen, Kühlen, Wärmen, Arzt, Heilpraxis, sonst etwas, nur um bitte schnell und augenblicklich diesen Schmerz abzustellen. Damit diese Person, dieses Tier nicht mehr leiden muss. Nicht wahr? Oder können wir nur nicht sehen, wie es den Schmerz durchlebt? Geht es wirklich darum, den Schmerz abzustellen? Geht es nicht vielleicht vielmehr darum unser eigenes Unbehagen mit dieser Situation abzustellen? Unsere eigene unbeschreiblich unkomfortable Ohnmacht zu kaschieren und zwar vor uns selbst? Könnte es möglicherweise sein, dass viele unserer versuchten Aktionen, dem anderen zu helfen alleine dem Zweck dienen uns von unserer tatsächlichen Machtlosigkeit abzulenken?

Manchmal kann es sein, dass der Prozess der im anderen geschieht für dich oder mich völlig undurchsichtig ist. Es kann sein, dass du den Prozess einfach nicht verstehen kannst. Das was das System gerade durchmacht, das was es beschäftigt. Und es kann sein, dass du ihm oder ihr nicht helfen kannst. Weil es sein oder ihr Prozess ist und er oder sie sich vielleicht gar nicht helfen lassen möchte. Es kann sein, dass sowohl du als auch alle Fachmenschen, die du herangezogen hast ratlos sind und es auch bleiben. Es kann sein, dass niemand eine Antwort weiß. Es kann sein dass niemand eine wirkliche Ursache heraus findet. Es kann sein, dass es gar keine erfassbare Erkrankung gibt. Möglicherweise nur Symptome. Was ist dann?

Was tust du wenn es keine Erklärung gibt? Was tust du wenn du machtlos bist? Was tust du wenn du ratlos bist? Was tust du wenn dir nichts mehr einfällt? Was tust du, wenn du mit deinem Latein am Ende bist und die anderen auch? Das habe ich mich gefragt. Was geschieht eigentlich genau dann?