Leere

Heute fühle ich mich leer. Um ehrlich zu sein, schon länger. Ja, da ist eine tiefe Leere in mir, ein Loch, das offen liegt und sich irgendwie nicht schließen lässt. Es schließt sich nicht von selbst und egal, was ich auch hinein gebe, es füllt sich nicht. Weder Geld, noch Glück, noch Erleben, noch Fülle, nein, auch Liebe füllt die Leere nicht auf. Es scheint als wäre alles umsonst, alles ohne Sinn und während ich das schreibe wird es groß und größer und ich tauche tief in diesen Nebel hinein.

Vielleicht ist es eine Depression, ein Burnout, ein ewiges Suchen. Vielleicht ist es da, weil ich so viele geliebte Wesen gehen lassen habe müssen und nichts diesen Schmerz je beruhigen kann. Nichts. Gar nichts. Vielleicht ist es meine Flucht um mir selbst erzählen zu können, Ruhe zu brauchen. Vielleicht brauche ich diese Leere um mich selbst immer wieder liebevoll zu umarmen, letzten Endes.
Vielleicht.

Möglicherweise braucht dieses Loch aber keine Analyse. Und doch ist es da und ein Teil in mir möchte es betrachten, möchte wissen, woher es kommt, was es braucht und warum es so störrisch zu sein scheint.

Alle reden von Fülle.

Sie reden davon, dass man sie fühlen kann. Dass man sie in sich trägt. Dass alles, was ist Fülle ist. Und all dieses Zeug. Aber in mir fühle ich nichts. Nichts außer Leere. Nichts außer das. Ich bin voll leer.

Während ich schreibe beginnt sich die Leere in mir zu reframen. Anders gesagt, meine Gedanken dazu verändern sich. Was, wenn die Leere die Fülle ist? Was, wenn ich einfach nur eine irre Vorstellung von Fülle hatte? Nämlich dass sie sich anfühlen muss, wie vollgefressen sein. Wie ein Nudelkoma. Ein 24 Stunden dauerndes Nudelkoma. Sieben Tage die Woche. Sorry, Mate, das will ich nicht! Ich will mich nicht vollgefressen fühlen. Never. I hate it.
Was also, wenn die Leere meine Fülle ist? Wenn sich meine Fülle in mir so anfühlt wie Leere? Ja, das klingt ganz gut. Ich sitze eine Weile mit dem Gedanken, lehne mich an, lehne mich zurück. Lass mich hinein fallen. Ist okay. Beruhigt den faden Geist, der dachte, mit ihm sei etwas falsch. Und dennoch … da ist doch noch mehr.

Ich wandere also weiter, weiter auf der Suche nach der Antwort. Denn das ist was ich suche, seit ich denken kann. Antworten. Warum? Wieso? Weshalb? Und den Ausdruck dessen. Den Ausdruck für all diese Fragen. Ich bin Künstler und das will ich sein. Alle Kunst fließt durch mich. Als lebendiger Ausdruck. Ich bin pur. Ich hasse es mich zu zügeln. Ich hasse es mich zu beschneiden. Ich hasse es etwas zu sein, das ich nicht bin. Ich hasse es meine Leere abzuschneiden. Mit Fülle zu füllen. Ich seufze und schüttele den Kopf. Leere zu reframen ist Selbstverarsche. Ich liebe die Leere. Ich brauche sie. Sie ist mein Lebenselixier. Ohne sie kann ich nicht kreieren.

Bähm! Wow! Das haut rein!

Ehe etwas Neues entstehen kann, wird das Gefäß geleert. Na klar, wenn du schwanger bist, kannst du nicht schwanger werden! Ich muss lachen. Und je mehr Widerstand du den Wehen der Leerung leistest, desto schmerzhafter wird es. Hach ja. Ist ja nicht so, dass ich das nicht kennen würde. Ist ja nicht so, dass ich das nicht wüsste. Ist ja nicht so, dass mir das nicht sonnenklar wäre. Hin und wieder fällt es mir allerdings wirklich sehr schwer das zu akzeptieren. Vor allem aber es zu durchleben. Still im Sturm zu stehen und zu wissen: es wird anders. Es vergeht.

Hinzu kommt, ich mache ja sowieso ständig mehrere Projekte, das heißt Leerungen finden regelmäßig, manchmal mehrmals am Tag, statt. Wenn ich von a nach b oder nach c wechsele. Mein inspirativer Geist braucht das. Er liebt das. Projekthopping, hihi. Mir wird sonst schnell langweilig. Wenn allerdings etwas größeres ansteht, größerer Veränderung, dann fühlt sich auch die Leerung massiver an. Der Schmerz ist größer, weil der Widerstand härter ist. Man nennt das auch Transformation. Nun, also, so wachse ich einmal mehr in etwas Neues hinein. Keine Ahnung was es sein wird. Ich bin gespannt.

So lange ich noch nicht weiß, was kommt mache ich weiter. Einfach immer weiter. Ich drücke aus, was ich gerade bin, wo ich stehe, was mir ein-fällt. Was hinein fällt in den großen leeren See der Inspiration in mir. Jeder Ausdruck ist nur eine Momentaufnahme, niemals gleich, immer neu. Ich versuche zu erfassen, was es gerade ist. Jetzt und jetzt und jetzt. Das ist meine Aufgabe. Folge ich dem nicht wird mir langweilig, ich fühle mich unzulänglich und ich stricke das nächste innere Drama, bremse mich aus und die Energie wird fest und verschlackt in mir. Außerdem ist es wichtig, dass mich die Muse beim Tun antrifft, nicht wahr? Das ist angenehmer als im Schlaf, weil man nachts geweckt immer so hektisch aufstehen muss …

 

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