Der Weg hinaus

Ich bin im Theater. Mit einer Freundin aus der Schulzeit und noch vielen anderen Menschen. Angeblich läuft die Rocky Horror Picture Show. Und wir wissen: zu einem bestimmten Zeitpunkt werden alle Darsteller (oder sind das überhaupt Darsteller?) zu Zombies mutieren, durchs Publikum wandeln und uns alle anstecken. Schrecklich, scheußlich, grauenhaft. Ich stehe ja gar nicht auf solches Zeug, aber bitteschön … liebes Unterbewusstsein, wenn du meinst ich muss mir das nachts reintun …

Aber es gibt da auch einen Teil in mir, also im Traum, der sich sicher wiegt. Der weiß, och, so schlimm wird das nicht mit den Zombies. Die sind gar nicht so grausig. Die sind auch echt ganz okay.

Trotzdem möchte ich gerne raus da.

Ich frage also meine Freundin ob wir nicht lieber von Dannen ziehen wollen. Was sie bejaht und wir machen uns auf den Weg. Zunächst raus aus dem vollbesetzten Saal. Auf den Flur. Er hat braune Klinker an den Wänden, hellbraunen Linoleum Fußboden, beheizt und irgendwie ungemütlich. Kein Mensch ist mehr draußen. Die Vorstellung beginnt gleich und es kann nicht mehr lange dauern bis die Wandlung steigt. Ab und an spitzt ein Darsteller um die Ecke. Sie haben uns im Auge …

Wir gehen also den Flur entlang, die Treppe herunter, die nächste, dann führt wieder eine hinauf. Alles erscheint ruhig, das Gebäude, wir ebenfalls. Wir erreichen eine Empore, von der aus man nach draußen blicken kann. Ein schöner Ausblick. Das Gelände ist gepflegt, hier und da sieht man eine Person werkeln. Wir gehen weiter, Treppen rauf, Treppen runter, geradeaus. Langsam beschleunigen wir unser Tempo, Panik steigt auf. Wir könnten es nicht schaffen und wenn oben Chaos ausbricht, werden sie uns kriegen …

Wann kommt denn nun endlich dieser Ausgang? Wann sind wir endlich draußen? Dann hören wir die Glocke. Die Vorstellung beginnt. Uns bleiben noch wenige Minuten …

Doch plötzlich wird uns klar: Diese endlosen Treppen, Türen, Gänge: sie alle führen zurück ins Gebäude. Zuerst hinaus, es sieht aus, als führten sie hinaus. Stattdessen leiten sie uns eins ums andere Mal zurück nach drinnen! ——-

Das Gefühl das in mir aufsteigt hat nichts mehr zu tun mit Panik. Die Panik ist einer Ruhe gewichen.

Diese Ruhe, die sich aus einer tiefen Hingebung an die Situation speist. Friede trifft es vielleicht ganz gut. Ich weiß nicht, ob ich die Zombiebegegnung überleben werde, ich weiß auch nicht, wie es wohl sein wird als Zombie, wenn ich dann mutiert bin. Aber ich finde in diesem Augenblick der Erkenntnis: ich kann nicht fliehen! Friede mit der Situation. Dann bleib ich eben hier, bei denen. Die sind bestimmt auch irgendwie okay.

Versteht mich nicht falsch! In dem Traum speiste sich das Gefühl des Friedens nicht aus der Frustration der Ausweglosigkeit. Denn dann würde ich es wahrscheinlich Resignation nennen. Aufgeben. Nein. Ich war gewillt das Zombie-Ding dann eben voll und ganz zu leben. Voll und ganz zu fühlen und auszukosten.

Yeah! Voll rein, wenn ich schon mal da bin und nicht weg kann. Dann eben ganz.

Und ich war voller Vorfreude …

Der Weg hinaus führt manchmal hinein. …